Mit dem iPhone in die Berge Die Manipulation des Jongleurs

Wir sitzen alle manchmal vor Talkshows. Wenn uns eine Sache besonders berührt, dann auch gerne am Wochenende gleich drei Mal. Anne Will, Frank Plasberg, Bettina Böttinger. Oder andere. Wie die Causa Guttenberg ausgegangen ist, wissen wir inzwischen. Ich habe diese vielen Diskussionen über den unglücklichen Freiherrn als Truppenübungsplatz genommen, um mir diese Talkshow-Scharmützel mit der Brille eines Psychologen anzuschauen. Die Wortgefechte. Wenn Sie die folgenden Zeilen gut verdaut haben, wird Ihnen in Zukunft auffallen, dass einige Politiker die Manipulation des Jongleurs scheinbar mit der Muttermilch aufgesogen haben. Sie setzen dieses Phänomen ein, um uns gezielt zu manipulieren.

Man kann es sich verteufelt nicht vorstellen, dass Menschen so oberflächlich sein können, dass Sie auf die Manipulation des Jongleurs hereinfallen. Das widerspricht schon wieder unserer Intuition. Hängen wir die Sache etwas tiefer. Es müssen nicht immer großartige politische Diskussionen sein. Diese Art der Manipulation tritt viel öfter bei kleinen, auf den ersten Blick unwichtigen Diskussionen auf. Dann, wenn man nicht so sehr darauf achtet.

Ein Beispiel: Sie möchten dieses Jahr nicht schon wieder in die Berge fahren? Dieses Mal wollen Sie in die Sonne? Ihre Frau besteht aber wieder auf endlos langweiligen Kraxeleien und Muskelkater bei Jagatee? Männer neigen dazu, die vermeintlichen Sachargumente in ruhigem Ton (na ja meistens …) herunterzuspulen. Schließlich will man diese Fragestellung nicht in einen Streit münden lassen. Sie formulieren also ganz diplomatisch. Gehen auf ihre Wünsche ein, geben ihr zunächst in einigen Punkten Recht. „Klara, Liebste – ich weiß, dass du die Berge über alles liebst. Schließlich kommst du aus der Schweiz. Auch ich liebe die Berge. Wir waren die letzten zehn Urlaube dort. Und wir haben so viel Geld in unsere Ausrüstung gesteckt. Das ist mir alles klar. Aber die Schweiz ist ein so teures Urlaubsland. Wir kennen sie jetzt auch schon recht gut und ich möchte dieses Jahr einmal etwas anderes sehen. Ich habe beruflich ein sehr anstrengendes Jahr hinter mir und verspüre einfach den Drang, einmal auszuspannen. Ohne E-Mails, ohne Handy, ohne Fax. Einfach ausspannen. Mallorca soll sehr schön sein. Aber wenn dir Mallorca nicht gefällt, wie wäre es mit Ibiza – oder Malta? Ich will wieder einmal richtig braun werden. Einfach die Beine am Strand lang machen. In der Sonne ein gutes Buch lesen. Relaxen. Entspannen. Der ganzen Informations-Kakofonie für ein paar Tage entfliehen. Glaub mir, dann kann ich meine Batterien wieder richtig aufladen.“ Die clevere Klara antwortet listig: „Max – in den Bergen hast du fast nie Empfang. Dein iPhone kannst du also getrost zu Hause lassen. Ist es nicht genau das, was du willst? Am Strand hältst du es keine zehn Minuten aus, dann rennst du wieder ins Hotelzimmer und checkst deine Mails. Da könnte ich wetten.“ Blattschuss. Alle anderen von Ihnen angeführten Argumente fallen unter den Tisch. Jetzt geht es nur noch darum, ob Sie E-Mail Empfang haben oder nicht.

Schwarze Fernseher im Wohnzimmer

Wie kann man sich dagegen wehren? Recht einfach. Lassen Sie sich nie dazu provozieren, alle Kugeln schon in der ersten Runde zu verschießen. Die Diskussion dauert sowieso länger. Lassen Sie sich auch nicht von einem hartnäckigen „Jongleur“ verführen, „in aller Sachlichkeit“ Ihre Argumente klipp und klar schon am Anfang einer Diskussion zu formulieren. Sie haben immer starke und weniger starke Argumente in Ihrer Argumentationskette. Manchmal wissen Sie auch gar nicht, ob das eine oder das andere Argument bei Ihrem Diskussionspartner vielleicht stärker oder schwächer wirkt. Wie sollten Sie auch? Ihr Gegner hat aber ein Ziel. Und das will er mit allen Mitteln erreichen. Ob er das „in aller Sachlichkeit“ erreicht – oder ob er Sie augenzwinkernd umtrickst –, das spielt für ihn eigentlich keine Rolle.

Ein weiteres Beispiel: Denken Sie daran, wie Sie sich das letzte Mal einen neuen Flachbildschirm gekauft haben. Sind Sie da nicht mit ein paar guten Gesichtspunkten in den Laden marschiert? Sie wussten in etwa, was Sie wollten. Bildschirmdiagonale 42 Zoll, 100 Herz, USB-Anschluss, Dolby Surround, einen Drehfuß, entspiegelte Oberfläche, möglichst tiefschwarz. Budget maximal 999 Euro. Und haben Sie dem Verkäufer – recht stolz über Ihr frisch erworbenes Fachwissen – diese Kriterien alle am Anfang des Beratungsgespräches genannt? (Sogar mir ist das passiert.) Und hatte der Anbieter so ein Gerät? Solch ein Gerät gab es im Moment nicht für den Preis. Gekauft habe ich einen silbernen Fernseher für 1.299,00 Euro. Warum? Weil der freundliche Verkäufer mir ein Argument gleich zu Anfang weggeschossen hat: Fernseher sind manchmal ausgeschaltet. Dann wirken sie in tiefschwarz übermäßig dominant im Wohnzimmer. Der Fernseher als Möbelstück. Ganz neuer Gesichtspunkt. Daran hatte ich nicht gedacht. (Bin wohl doch nicht so clever, wie ich dachte …) Den Rest des Gespräches hatte der Verkäufer in der Hand.

Sachargumente überzeugen. Manchmal. Wenn alle am Tisch „sachlich“ bleiben, und vor allem willens und in der Lage sind, Fehler zuzugestehen. Aber Hand aufs Herz – wie häufig hören Sie den Satz: „Ja – Sie haben mich überzeugt“? Ziemlich selten. Übrigens: Wie häufig sagen Sie selbst diesen Satz? Gute Manipulatoren wissen darum, wie schwierig es ist, andere Menschen zu überzeugen. Manchmal sogar zu ihrem Glück zu zwingen. Zu oft geht in einem Streitgespräch alles wild durcheinander. Sachargumente werden mit Emotionen vermischt. Es wird hin und her gesprungen. Nicht richtig zugehört. Zu schnell geantwortet. Ehrlich gesagt – da muss man manchmal zu diesen kleinen Tricks greifen, will man sich durchsetzen. Kleine Tricks können sich aber schnell zu handfesten Manipulationen entwickeln. Fallen Sie wenigstens nicht mehr darauf rein.

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